Rechtssprechung

Strafrechtliche Rechtsprechungsübersicht

Wir bieten Ihnen einen Überblick über strafrechtliche Entscheidungen, welche überwiegend – jedoch nicht ausschließlich – für die kriminalpolizeiliche Arbeit von Bedeutung sind. Im Anschluss an eine Kurzdarstellung ist das Aktenzeichen zitiert, so dass eine Recherche möglich ist



Hilfspflichten wie diejenigen aus § 323c Abs. 1 StGB, die jedermann treffen, reichen zur Begründung einer Beistandspflicht nach § 221 Abs. 1 Nr. 2 StGB nicht aus. Sie folgt auch nicht allein daraus, dass einem Hilfsbedürftigen Beistand geleistet wird, sondern entsteht erst dann, wenn der Helfende die Situation für den Hilfsbedürftigen wesentlich verändert, namentlich andere, nicht notwendigerweise sichere Rettungsmöglichkeiten ausschließt oder vorher jedenfalls nicht in diesem Maße bestehende Gefahren schafft. Die bloße Zugehörigkeit zu einer Gruppe aufgrund eines gemeinsamen Ausflugs begründet noch keine gegenseitigen Hilfspflichten. Diese entstehen erst mit einer erkennbaren Übernahme einer besonderen Schutzfunktion gegenüber Hilfsbedürftigen aus dieser Gruppe in bestimmten Gefahrenlagen. Dies ist bei losen Zusammenschlüssen etwa zum gemeinsamen Konsum von Alkohol oder Drogen, bei Wohngemeinschaften, bei Fahrgemeinschaften und bei Personen, die sich lediglich zufällig in derselben Gefahrensituation befinden, regelmäßig nicht der Fall. (BGH, Urt. v. 21.9.2022 – 6 StR 47/22)


§ 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB – Wohnungseinbruchsdiebstahl; hier: „Eindringen“ durch den Briefkasten. Der Angeklagte (A) und drei weitere Mittäter brachen „auf unbekannte Weise in das von außen verwaist und heruntergekommen wirkende freistehende Einfamilienhaus“ des Geschädigten ein. „Vermutlich öffneten sie die nicht verschlossene Eingangstür über den Briefkasten des Hauses oder hebelten die rückwärtige Terrassentür auf.“ Sie durchsuchten das Haus nach Wertgegenständen und entwendeten u.a. Bargeld und Schmuck. Durch die Tat entstand ein Sachschaden in Höhe von 20.000 bis 30.000 Euro.


Die Begehung eines Wohnungseinbruchsdiebstahls in der Tatbestandsvariante des „Eindringens“ ist nicht belegt, wenn nicht nachgewiesen ist, ob der Täter ein nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung der Tür bestimmtes Werkzeug benutzt hat, um durch den Briefkastenschlitz beispielsweise auf den Schließmechanismus der Haustür durch Herunterdrücken der Türklinke einzuwirken, auf diese Weise die nicht verschlossene Eingangstür zu öffnen und in das Gebäude einzudringen. (BGH, Beschl. v. 25.10.2022 – 2 StR 296/22)


§ 244a StGB – Schwerer Bandendiebstahl; hier: Alleingänge von Bandenmitgliedern. B, H und K schlossen sich mit dem Ziel zusammen, fortan nachts in zuvor durch den B „ausbaldowerte“ Restaurants einzudringen, um dort den Inhalt von Tresoren oder Kassen sowie andere werthaltige Gegenstände zu entwenden. B hatte sich geeignete Spezialwerkzeuge, darunter mehrere hydraulische Spreizer besorgt, die das Eindringen in die Gebäude und das Öffnen der Tresore ermöglichen sollten. Bevor die drei Angeklagten zu ihren Einbruchstaten aufbrachen, instruierte B jeweils die beiden anderen über den von ihm ausgewählten Tatort. Dort angekommen, gingen sie regelmäßig arbeitsteilig derart vor, dass zumeist entweder H oder B unter Einsatz der Werkzeuge in das Gebäude einbrachen und einer der weiteren Beteiligten davor „Schmiere“ stand. Von der Tatbeute erhielt B wegen seiner Vorarbeiten jeweils einen größeren Anteil. In 11 Fällen begingen jedoch H und K die Taten ohne B und teilten die Beute hälftig unter sich auf. Danach hielten diese ihre „Alleingänge“ bewusst vor B „geheim“, da dieser ein solches eigenmächtige Vorgehen nicht gebilligt hätte.


Zwar kann nach vorheriger Bandenabrede eine von nur zwei Mitgliedern verübte Tat als Bandentat zu qualifizieren sein; denn das für das Vorliegen einer Bande erforderliche dritte Mitglied muss nicht in die konkrete Tatbegehung eingebunden sein. Voraussetzung für die Annahme einer bandenmäßigen Begehungsweise ist neben der Mitwirkung eines weiteren Bandenmitglieds jedoch, dass die Einzeltat Ausfluss der Bandenabrede ist und nicht losgelöst davon ausschließlich im eigenen Interesse der jeweils unmittelbar Beteiligten ausgeführt wird. (BGH, Beschl. v. 15.11.2022 – 6 StR 68/22).

 

 

II Prozessuales Strafrecht


§ 81b S. 1 Alt. 2 StPO – Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei dem Beschuldigten; hier: Wiederholte Begehung von Bagatelldelikten. Die A beging über einen Zeitraum von ca. 6 Jahren mehrere Diebstähle (drei Mal davon bis 20 €), eine Verkehrsunfallflucht und Missbrauch von Titeln, Berufsbezeichnungen und Abzeichen gem. § 132 StGB. Die Verfahren wurden überwiegend in Strafbefehlsverfahren erledigt.


Die wiederholte Begehung minderschwerer Delikte kann dazu führen, dass diese in ihrer Gesamtheit nicht mehr als Bagatelldelikte eingestuft werden können und damit ein öffentliches Interesse an der Aufklärung künftiger Straftaten besteht, das die Anordnung erkennungsdienstlicher Maßnahmen rechtfertigt. (OVG Bautzen, Urt. v. 13.3.2023 – 6 A 284/20)


§§ 102, 105 StPO – Durchsuchung beim Beschuldigten; hier: Mögliches Fehlen gebotener Einzelfallprüfung. Das Fehlen der gebotenen Einzelfallprüfung durch den Ermittlungsrichter folgt nicht schon daraus, dass er den Durchsuchungsbeschluss nicht selbst ausformuliert, sondern den ihm von der StA vorformuliert vorgelegten Beschlussentwurf unterzeichnet hat. (LG Nürnberg-Fürth, Beschl. v. 7.11.2022 – 12 Qs 49/22)


§§ 102, 105 StPO – Durchsuchung bei Beschuldigten; hier: Gefahr im Verzug, Tataufdeckung durch Telefonat. Infolge eines Telefonats zwischen der Mutter der Geschädigten und dem Angeklagten war die Tat aufgedeckt. In solchen Fällen droht durch die zeitliche Verzögerung, die mit der Befassung des Ermittlungsrichters verbunden gewesen wäre, unmittelbar der Verlust von Beweismitteln. Daher lagen die Voraussetzungen der Eilanordnung vor. (BGH, Beschl. v. 22.11.2022 – 5 StR 377/22)

 

III Sonstiges


Einen lesenswerten Beitrag „Straf- und ordnungswidrigkeitenrechtliche Aspekte beim Zünden von Pyrotechnik im Fußballstadion“ von Till Porner finden Sie in der SpoPrax 2023, 34-39.


Bildrechte: Kay Herschelmann.

 

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