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Prävention von sexualisierter Gewalt gegen Kinder
Schutzkonzepte allein sind zu wenig
3 Mögliche Ursachen insbesondere von sexualisierter Gewalt
Die aufgezeigten Entwicklungen können an einer gesamtgesellschaftlich zu verzeichnenden steigenden Sexualisierung insbesondere junger Menschen liegen. Begünstigt wird dies durch die Digitalisierung und die Medien und dadurch auch durch mehr sexualisierter Kleidung und mehr sexualisiertem Verhalten, das mehr Anreiz für potentielle Täter sein kann und damit auch Auslöser von Missverständnissen, insbesondere über Grenzen, an denen dann nicht mehr gestoppt werden konnte. Auch kann die Anzeigebereitschaft in den letzten Jahren gestiegen sein, was dazu geführt haben dürfte, dass mehr Fälle aus dem Dunkelfeld ins Hellfeld geholt wurden. Weiterhin gab es eine Intensivierung der Ermittlungstätigkeiten in vielen Länderpolizeien und der Justiz durch mehr und spezialisierteres Personal und eine bessere technische Ausstattung.
Verstärkte Aktivitäten im Ausland führen in aller Regel zu mehr Hinweisen an das BKA, das dann die Hinweise an die zuständigen Länder weiterleitet. Ein Beispiel hierfür ist die halbstaatliche Organisation NCMEC (National Center for Missing and Exploited Children) aus den USA. Allein im Jahr 2019 erhielt das BKA 62.000 Hinweise aus dem Ausland, die zu 21.600 Fällen in Deutschland führten.
4 Ein einheitliches Lagebild?
Am Beispiel des Bereichs Schule ist zu konstatieren, dass sowohl Polizei als auch Bildung grundsätzlich Ländersache sind, so dass Erhebungen hier erst einmal zu beginnen hätten und haben. Dies führt zu der Problematik, dass einzelne Länderpolizeien wie z.B. Nordrhein-Westfalen und Bayern (sexualisierte) Gewalt an Schulen separat erheben und intern auswerten, um daraus insbesondere Ansätze für eine möglichst zielgenauere Präventionsarbeit ableiten zu können. Andere Polizeien führen hierzu in der Mehrzahl keine Sondererhebungen durch. Auch gibt es analog zum Begriff der Häuslichen Gewalt derzeit keine bundeseinheitliche Definition, was z.B. (sexualisierte) Gewalt an Schulen ist. Dies kann zu unterschiedlichen Bewertungen führen. Gleiches dürfte für den Bereich Bildung gelten, der sich dann darüber hinaus auch noch mit der Polizei über eine einheitliche Definition und Erhebungskriterien im Land zu einigen hätte. So stellen sich z.B. die Fragen, ob sexualisierte Gewalt an Schulen nur an Schulen verübt werden kann oder auch im schulischen Kontext, ob nur Schüler und Personal die Täter/Täterinnen sein können oder auch Externe und nur auf dem Schulgelände, ob die Tat lediglich während der Schulzeit begangen werden kann oder auch außerhalb dieser Zeiten, ob digital begangene Straftaten mit dazu zu zählen sind und vieles mehr? Wünschenswert wären eine bundeseinheitliche Definition und bundesweit abgestimmte Erhebungen.
Auf Landesebene können dennoch eigene Erhebungen erfolgen, wobei dies am besten durch die Schulen erfolgen sollte, da – gerade bei sexualisierter Gewalt nachvollziehbar – dort eben auch solche Fälle bekannt werden, die der Polizei nicht angezeigt werden. Grundsätzlich dürften an den Schulen mehr Fälle bekannt werden als bei der Polizei. Die so erhobenen statistischen Daten könnten und sollten allerdings nach einer mit der Polizei abgestimmten gemeinsamen Definition und ebenfalls abgestimmten Erhebungskriterien erfolgen, um so der Polizei anonymisiert wichtige Informationen für ihre Präventionsarbeit in den Kommunen und auf Landesebene zu liefern. Ein Doppel-Erhebung könnte und sollte auf alle Fälle unterbleiben.
5 Schutzkonzepte und erhebliche Umsetzungsdefizite
Der Unabhängige Beauftragte der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Rörig, bietet Schulen und anderen Akteuren, wo mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet wird, sogar vorbereitete Schutzkonzepte an. Die Quote derer, die umfangreichere Schutzkonzepte übernehmen, ist jedoch noch stark entwicklungsfähig, im bundesweiten Durchschnitt betrug sie z.B. in den Jahren 2016/2017 lediglich 12-13%. Darüber hinaus nützt ein Schutzkonzept, das z.B. im Sekretariat der Schule in einem Ordner steht, dem Grunde nach nichts. Es bedarf in jeder Schule und in jeder Einrichtung und damit sind nicht nur die Träger gemeint, sondern eben die Schule selber und in jedem Verein pp. grundsätzlich zweier Beauftragter für (sexualisierte) Gewalt, und zwar für jedes Geschlecht getrennt, da es hier offensichtliche unterschiedliche Bedürfnisse der Betroffenen zu geben scheint. Bei den Kitas könnte auf Grund der Spezialität – noch - eine/ein Beauftragter ausreichen.
Nach dem Verfasser berichteten Erfahrungen gestaltet sich die Arbeit solcher Beauftragter, die es in einigen Schulen schon in Ansätzen gibt, für die Engagierteren unter ihnen derzeit eher zäh. Schutzkonzepte müssen eben auch tatsächlich umgesetzt werden. Es bedarf engagierter Menschen, die als Beauftragte für sexualisierte Gewalt als Vertrauenspersonen in den Schulen und jeweiligen anderen Einrichtungen zur Verfügung stehen und die Prävention nicht als einmalige Maßnahme, sondern als Prozess begreifen, der nachhaltig, wiederholt und die Kinder begleitend zu erfolgen hat. Die Beauftragten sollten dabei jedoch nicht nur benannt werden, sondern regelmäßig berichtspflichtig sein und einem Monitoring unterliegen.
In den Schulgesetzen der Länder sollte – dies konkretisierend und unterstützend – nicht nur festgelegt werden, dass jede Schule ein Schutzkonzept vorzulegen hat, sondern darüber hinaus namentlich benennbare Beauftragte beiderlei Geschlechts einzusetzen hat, die regelmäßig über die Entwicklungen an der Schule Bericht zu erstatten haben. Die Vorlage eines Schutzkonzeptes sollte ebenso verbindlich Kriterium für die Zulassung von Einrichtungen wie Kitas durch die Landesjugendämter werden.
Und wenn die Leserinnen und Leser dem zustimmen, bedarf es selbstverständlich auf Landesebene eines hauptamtlich aktiven Kinderschutzbeauftragten, der all dies koordiniert und begleitet.
Die Aufgaben eines Kinderbeauftragten oder Kinderschutzbeauftragten sollte sich aber nicht nur auf sexualisierte Gewalt beschränken, sondern auf alle Formen von Gewalt einschließlich digital ausgeübter und psychischer Gewalt. Auch sollte er unabhängig und dem Parlament regelmäßig berichtspflichtig sein. Er oder sie sollte unbedingt bei allen Gesetzgebungsverfahren, die Kinder und Jugendlich betreffen (könnten), verbindlich anzuhören sein.
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