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„Tottreten“
Fußtritte gegen den Kopf und ihre kriminalpolizeiliche Bearbeitung
Bei mit einiger Wucht geführten Tritten gegen den Kopf, den Hals oder den Rumpf einer am Boden liegenden Person ist bei dem Opfer immer mit lebensgefährlichen Verletzungen zu rechnen; ob durch die Tritte lebensgefährdende Knochen- oder Organverletzungen verursacht werden oder ob das Opfer mit eher oberflächlichen Verletzungen davonkommt, hängt zumeist vom Zufall ab. Das Ausbleiben schwerwiegender Verletzungen ist daher nicht ohne Weiteres ein Beleg dafür, dass die ausgeführten Tritte tatsächlich nicht gefährlich waren. Die Kenntnis der lebensbedrohenden Gefährlichkeit von Fußtritten jedenfalls gegen den Kopf ist dabei allgemein verbreitet, was einen mindestens bedingten Tötungsvorsatz bei derartigen Tathandlungen nahelegt.
Für die kriminalpolizeiliche Praxis bedeutet dies, dass Angriffe durch Fußtritte gegen den Kopf oder den Oberkörper eines am Boden liegenden Menschen immer unter dem Gesichtspunkt einer gefährlichen Körperverletzung mittels einer das Leben gefährdenden Behandlung und bei Fußtritten gegen den Kopf – unabhängig von den tatsächlich erlittenen Verletzungen – jedenfalls dann regelmäßig zunächst als (versuchtes) Tötungsdelikt zu bearbeiten sind, wenn diese Tritte mit einiger Wucht ausgeführt wurden. Diese Ersteinstufung steht natürlich einer späteren „Herabstufung“ nicht entgegen, wenn sich im Laufe der weiteren Ermittlungen ergibt, dass ein Tötungsvorsatz nicht wahrscheinlich oder jedenfalls nicht nachweisbar ist. Hieraus folgt jedoch, dass von möglichen Ausnahmen im Einzelfall abgesehen derartige Taten daher stets durch die entsprechende kriminalpolizeiliche Fachdienststelle bearbeitet werden sollten.
Schädelfraktur – häufige Ursache von Fußtritten gegen den Kopf.
Bildrechte: Medizinhistorische Sammlungen des Karl-Sudhoff-Instituts für Geschichte der Medizin und der Naturwissenschaften der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig. Untergruppe Rechtsmedizin. Foto: Angela Huffziger.
Von besonderer Bedeutung ist dabei gerade bei überlebenden Geschädigten eine unverzügliche rechtsmedizinische Untersuchung zur umfassenden Beweissicherung. Bei einer ausschließlich therapeutischen Behandlung sind Verletzungsbilder später nur noch schwer bis gar nicht beweissicher zu rekonstruieren.
Für die Bewertung des Vorsatzes des Täters oder der Täter sowie eines etwaigen strafbefreienden Rücktritts ist es von Bedeutung, alle Beweismittel auszuschöpfen, um den genauen Tathergang rekonstruieren zu können. Dabei kommt insbesondere der Intensität, der Anzahl und der Zielrichtung der Tritte sowie dem eventuellen Grund für ein Ablassen vom Opfer große Bedeutung zu.
Nicht alle Angriffe durch Fußtritte gegen den Kopf einer am Boden liegenden Person sind im Ergebnis auch tatsächlich (versuchte) Tötungsdelikte – die kriminalpolizeilichen Maßnahmen sind jedoch ausnahmslos so auszurichten, dass sie der Staatsanwaltschaft eine sichere Bewertung ermöglichen.
Anmerkungen
- Dr. Daniel H. Heinke ist Leiter des Landeskriminalamtes Bremen sowie Honorarprofessor für Straf- und Strafprozessrecht sowie interdisziplinäre Terrorismusforschung an der HfÖV Bremen. Zwischen 2003 und 2008 war er Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Bremen, zuletzt als Sonderdezernent für Kapitalverbrechen.
- Im Interesse der besseren Lesbarkeit des Textes wurde auf Einzelbelege und weitergehende Verweise verzichtet. Für eine ausführliche Darstellung des Themas mit umfangreichen Angaben zu weiterführender Literatur siehe Heinke, Tottreten – eine kriminalwissenschaftliche Untersuchung, Lengerich u.a. 2010. Zur strafrechtlichen Bewertung siehe ergänzend insbesondere die Kommentierung von Schneider in Münchener Kommentar zum StGB, 3. Aufl., München 2017, § 212 Rdnrn. 38 ff.
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