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Die Polizeipräsenz bei Versammlungen
Von Prof. Hartmut Brenneisen, Dekan des Fachbereichs Polizei der FHVD Schleswig-Holstein und Dirk Staack, Prodekan des Fachbereichs Polizei der FHVD Schleswig-Holstein1
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Die Anwesenheit von Polizeibeamtinnen und -beamten bei öffentlichen Versammlungen ist grundsätzlich als Ausfluss der hoheitlichen Schutz- und Gewährleistungsaufgabe zu interpretieren und die damit verbundene Legitimationspflicht unterstreicht sie als besonderen Akt der grundrechtsfreundlichen Organisations- und Verfahrensgestaltung. Die konkreten Ausformungen einschließlich der damit verbundenen eingriffsrechtlichen Fragestellungen sind allerdings umstritten, so dass zuletzt mehrfach die Verwaltungsgerichte entscheiden mussten.2
1 Entstehungsgeschichte
Das Anwesenheitsrecht und die Legitimationspflicht gehen dem Wortlaut nach weitgehend auf § 13 Reichsvereinsgesetz3 (RVG) zurück. Ein freies Zutrittsrecht für die den Staat repräsentierende Polizei war nach damaligem Verständnis wohl unverzichtbar.4 Neben dem jederzeit möglichen Eintritt des Verbotsfalles schien es insbesondere erforderlich zu sein, „von der öffentlichen Meinung fortgesetzt unterrichtet zu bleiben“.5 Ausgleichend verpflichtete sich der Staat aber auch, seine beobachtende Tätigkeit offen zu legen, wenngleich das Auftreten uniformierter Polizeikräfte wohl tatsächlich eher dem Zweck der Repräsentation einer allgegenwärtigen Hoheitsmacht und damit der Einschüchterung gedient haben dürfte. Die Befugnis zur Entsendung von Polizeikräften wurde als Selbstverständlichkeit betrachtet, so dass nur Umsetzungsbestimmungen geschaffen wurden. In diesem Sinne hat auch das PrOVG die Vorschrift des § 13 RVG verstanden.6
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In der Weimarer Republik war die Weitergeltung des § 13 RVG zunächst umstritten. Das RG erkannte in einer Entscheidung vom 28.4.1932 das Anwesenheitsrecht nur nach landesrechtlichen Bestimmungen zur Verhütung unmittelbarer Gefahren für Leben und Gesundheit der Versammlungsteilnehmer an.7 Als Reaktion auf diese Rechtsprechung wurde durch Verordnung des Reichspräsidenten vom 16.6.1932 eine ausdrückliche Befugnis der Polizei zur Entsendung Beauftragter in öffentliche Versammlungen eingeführt. Bei einer Verweigerung bestand die hoheitliche Auflösungsmöglichkeit.8
2 Polizeibegriff
Wenn im Zusammenhang mit Anwesenheit und Legitimation von „Polizei“ gesprochen wird, geht es um Polizei im institutionellen Sinne.9 Dies ergibt sich nicht zuletzt aus den landesspezifischen Zuständigkeitsregelungen.10 Da das Versammlungsrecht seit der Föderalismusreform I11 in die Gesetzgebungskompetenz der Länder übergegangen ist, kommen grundsätzlich auch nur ihre Polizeikräfte in Betracht. Beamte der Bundespolizei fallen nur dann unter den Terminus, soweit sie auf Anforderung der zuständigen Landespolizeibehörde unterstellt sind.12 Keine Polizei im Sinne des Versammlungsrechts sind schließlich die Angehörigen der Ordnungsverwaltung als Polizei im materiellen Sinne.13
3 Versammlungsgesetz des Bundes (VersG)
Das VersG des Bundes knüpft dem Wortlaut nach an das RVG an. § 12 VersG lautet:
Werden Polizeibeamte in eine öffentliche Versammlung entsandt, so haben sie sich dem Leiter zu erkennen zu geben. Es muss ihnen ein angemessener Platz eingeräumt werden.
Eine Ahndungsbestimmung ergibt sich aus § 29 Abs. 1 Nr. 8 VersG. Danach handelt ordnungswidrig,
wer als Leiter den in eine öffentliche Versammlung entsandten Polizeibeamten die Anwesenheit verweigert oder ihnen keinen angemessenen Platz einräumt.
Damit geht das VersG des Bundes seit dem 24.7.195314 wohl unverändert davon aus, dass die Anwesenheit von Polizeikräften im Versammlungsgeschehen im Interesse einer schnellen und effektiven Gefahrenabwehr unabdingbar ist.15 In § 12 VersG, der über die Transferklausel des § 18 Abs. 1 VersG auch für Versammlungen unter freiem Himmel gilt, werden nur die Modalitäten geregelt.16 In der Literatur wird zum Teil sogar bezweifelt, das die bloße Anwesenheit überhaupt einen Grundrechtseingriff darstellt.17 Sie wird, wie unter dem Regime des Reichsvereinsgesetzes, quasi als unabdingbar betrachtet und mit erforderlichen Schutzaufgaben begründet.18
Dietel/Gintzel/Kniesel konstatieren:19„Ein Anwesenheitsrecht ergibt sich aus dem Zusammenspiel der Regelungen der §§ 12 und 29 Abs. 1 Nr. 8. Der Leiter handelt ordnungswidrig, wenn er entsandten Polizeibeamten die Anwesenheit verweigert. Diese Bestimmungen gehen folglich von einem Anwesenheitsrecht entsandter Polizeibeamter aus.“ Gegenläufigen Auffassungen20 wird mit der Feststellung begegnet, „dass das Entsenden von Polizeibeamten zu öffentlichen Versammlungen im Sinne grundrechtsfreundlicher Organisations- und Verfahrensgestaltung, die entsprechende Kompetenz- und Zuständigkeitsregelung einschließt, interpretiert werden muss.“21Dabei wird auf den Brokdorf-Beschluss des BVerfG22 und die darin enthaltenen Grundsätze „zu einer vertrauensvollen Kooperation“ verwiesen.
Auch die Legitimationspflicht aus § 12 VersG wird in der spezifischen Kommentarliteratur unterschiedlich bewertet. Die wohl bisher herrschende Meinung argumentiert mit der ratio legis der Norm und verneint eine persönliche Legitimationspflicht für alle Einsatzkräfte.23 Es wird vielmehr darauf abgestellt, dass dem Leiter der Versammlung lediglich der Umstand und die Form der polizeilichen Präsenz bekannt zu geben, in diesem Rahmen allerdings auch entsandte Beamtinnen und Beamte in Zivilkleidung zu bezeichnen sind.24 Gerade bei Großlagen reiche es aber aus, wenn beispielsweise der Einsatzabschnittsführer oder ein von ihm beauftragter Beamter Kontakt aufnehme und entsprechende Angaben mache.25
4 Landesversammlungsgesetze
Nach der am 1.9.2006 in Kraft getretenen Föderalismusreform I26 haben nunmehr die Länder die Gesetzgebungskompetenz für den Bereich des Versammlungsrechts erhalten. Die Umsetzung lässt allerdings erheblich zu wünschen übrig und es ist ein sehr unterschiedliches Bild festzustellen, das keinesfalls durch anzustrebende Harmonisierungsbestrebungen geprägt ist.27 Neben verfassungsrechtlich bedenklichen28 fragmentarischen Teilregelungen29 in Brandenburg und Berlin gibt es bisher lediglich eigenständige Landesgesetze in Bayern, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt.30 In Schleswig-Holstein ist im Oktober 2010 die politische Diskussion über ein bereichsspezifisches Landesgesetz eröffnet worden.31
4.1 Bayerisches Versammlungsgesetz (BayVersG)
Art. 4 Abs. 3 BayVersG regelt das Zugangsrecht von Polizeibeamten in Versammlungen. Die Erstfassung des Gesetzes32 hatte in Art. 4 Abs. 5 zunächst weitgehend § 12 VersG übernommen. Erst das Änderungsgesetz vom 22.4.201033 nahm eine materielle Umformung vor.34 Art. 4 Abs. 3 BayVersG lautet heute:
Polizeibeamte haben das Recht auf Zugang und auf einen angemessenen Platz
- bei Versammlungen unter freiem Himmel, wenn dies zur polizeilichen Aufgabenerfüllung erforderlich ist,
- bei Versammlungen in geschlossenen Räumen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für die Begehung von Straftaten vorliegen oder eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit zu besorgen ist.
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