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Kinder im Ermittlungsverfahren
Möglichkeiten und Grenzen der Vornahme strafprozessualer Maßnahmen (Teil 2)
4 Der Umgang mit Kriminalität von Kindern
Die Polizei dokumentiert im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens alle Maßnahmen und Handlungen. Das bedeutet, dass auch in Bezug auf Kinder polizeiliche Dokumentationen erfolgen. Dies dient dem oben in den Ermittlungszielen genannten Zweck, vormundschaftsgerichtliche und behördliche Maßnahmen gegen die Erziehungsberechtigten anzuregen. In diesem Rahmen werden beispielsweise Schreiben an das Jugendamt gefertigt, um dieses über den Verdacht der Kindeswohlgefährdung zu informieren, wenn die Polizei Kenntnis erlangt, dass ein Kind von seinen Erziehungsberechtigten zur Begehung von Straftaten angehalten wird.
4.1 Zuständigkeit der Familiengerichte
Wenngleich die Strafverfolgungsbehörden bei intensiver Auffälligkeit eines Kindes wenig Handlungsspielraum zur Einwirkung auf das Kind haben, so ist der Staat dennoch nicht handlungsunfähig. Die Zuständigkeit liegt dann bei den Familiengerichten, die bei Gefährdung des Kindeswohls gemäß §§ 1666, 1666a, 1631 BGB tätig werden können. Im Extremfall besteht auch beispielsweise die Möglichkeit der Heimunterbringung nach § 1631b BGB.
4.2 Gefahrenabwehrrechtliche Maßnahmen
Nicht näher beleuchtet wurden in den bisherigen Ausführungen die Möglichkeiten der Polizei auf dem Gebiet der Gefahrenabwehr gegen Kinder tätig zu werden. Häufig ist gerade im Umgang mit Kindern ein Handeln mit dem Ziel der Gefahrenabwehr angezeigt. Die Maßnahmen hierfür sind jedoch nicht in der StPO, sondern den entsprechenden landesrechtlichen Vorschriften geregelt. Diese dienen der Prävention von Straftaten bzw. der Verhinderung von Schäden. Ihnen fehlt daher der repressive Charakter des Strafrechts, so dass die Kinder hier keinen staatlichen Schutz im Sinne des Schuldausschlusses benötigen.
4.3 Gewährung des Datenschutzes bei Rückgriff auf Erkenntnisse aus dem Kindesalter
Im Zusammenhang mit den durch die Polizei gewonnenen und unter Umständen an das Jugendamt weitergeleiteten Erkenntnisse über die Begehung von Straftaten durch ein Kind treten weitere Fragestellungen zu tage. Inwieweit dürfen diese Erkenntnisse in einem späteren jugendgerichtlichen Verfahren Berücksichtigung finden? Liefe eine solche Weitergabe der Daten nicht dem Schutzgedanken, der ein Kind vor Bestrafung für kindliches, nicht schuldhaftes Verhalten bewahren soll, zuwider?
Denn auf polizeiliche Erkenntnisse kann in einem späteren jugendstrafrechtlichen Verfahren relativ einfach zugergriffen werden. Sofern diese nicht bereits durch den Sachbearbeiter bei der Polizei Einzug in die Ermittlungsakte erhalten haben, erfährt das Gericht in der Regel über die Jugendgerichtshilfe die Umstände der Kindheit des dann Jugendlichen. Es ist gemäß § 43 JGG Aufgabe des Gerichts, die Entwicklung des Jugendlichen zu erforschen und die Jugendgerichtshilfe hat es nach § 38 II 2 JGG hierbei zu unterstützen. So ist es jedenfalls nicht unüblich oder unwahrscheinlich, dass Erkenntnisse über die Begehung von Straftaten im Kindesalter Berücksichtigung finden.31 Es stellt sich daher mit einer gewissen Berechtigung die Frage, ob ein solcher Umgang mit den zuvor erlangten Daten zulässig ist. Denn so würden die zum Zeitpunkt der Strafunmündigkeit erhobenen Daten nachträglich repressiv gegen das Kind eingesetzt werden.32 Für die Tätigkeit des Jugendamtes als Jugendgerichtshilfe sieht § 61 III SGB VIII allerdings ausdrücklich vor, dass der Datenschutz der Arbeit nach dem JGG nicht entgegensteht.33 Darüber hinaus hat die allgemeine Jugendhilfe gemäß § 69 I Nr. 1 SGB X, §§ 64, 65 SGB VIII ein Mitteilungsrecht an die Jugendgerichtshilfe.34 Dieses Vorgehen widerspricht nicht dem Gedanken der Nichtverfolgbarkeit kindlichen Verhaltens. Sowohl das Jugendgericht als auch die Jugendstaatsanwaltschaft sind zur eigenständigen Ermittlung der Persönlichkeit des Jugendlichen anzustellen. In diesem Rahmen haben sie die Möglichkeit, umfassende Einsicht in die Akten der verschiedenen Institutionen einzuholen oder Berichte anzufordern.35 Da das Jugendstrafrecht ein Erziehungsstrafrecht ist, hat es in erster Linie einen spezialpräventiven, keinen repressiven Charakter.36
5 Schlussbetrachtung
Der Schutz des Kindes hat Vorrang vor der Strafverfolgung. Dieses Prinzip zieht sich, ausgehend von § 19 StGB, durch das gesamte Straf- und Strafverfahrensrecht. Trotz der Einschränkungen, die infolge der Strafunmündigkeit von Kindern bei den Möglichkeiten der Durchführung von strafprozessualen Maßnahmen vorliegen, ist die Polizei nicht handlungsunfähig, wenn sie mit der Begehung von Straftaten durch Kinder konfrontiert wird. Dabei gilt stets der Grundsatz, dass Kinder in einem Ermittlungsverfahren keinen Beschuldigtenstatus einnehmen können und somit kein Verfahren gegen das Kind selbst betrieben werden kann. Der teilweise vertretenen Auffassung, ein Kind solle im Rahmen von Ermittlungen gleich einem Beschuldigten behandelt werden, ist eine klare Absage zu erteilen. Im Ergebnis käme damit dem Ermittlungsverfahren die Aufgabe der Repression zu. Wie bereits oben festgestellt, würde dies zu einer Aushöhlung des Prinzips der Schuldunfähigkeit von Kindern führen, um unter Ausschluss des gerichtlichen Verfahrens das Ermittlungsverfahren führen zu können. Es gibt keinen stichhaltigen Grund, der ein solches Vorgehen rechtfertigte.
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