REZENSION
Laabs, Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern. 1. Auflage 2021
Von Mai 2021 bis Juli 2022 musste sich der Bundeswehroffizier Franco A vor dem Frankfurter Oberlandesgericht wegen der Planung von Terroranschlägen verantworten. Er hatte sich als Flüchtling registrieren lassen. Wollte er Gewalttaten begehen und deren Urheberschaft auf den fiktiven Flüchtling lenken? Die Ermittlungen im Mammutprozess fielen für Franco A nicht günstig aus. Das Urteil: eine Haftstrafe von fünfeinhalb Jahren. Dirk Laabs, der sich mit seinen Büchern über die Geheimdienste im Umfeld des 11. September 2001 sowie über den Nationalsozialistischen Untergrund einen Namen als investigativer Journalist gemacht hat, greift in seinem Werk den Fall an verschiedenen Stellen immer wieder auf.
Die Kernthese lautet: Sicherheitsbehörden der Bundesrepublik Deutschland sind von Rechtsextremisten teilweise unterwandert: die Bundeswehr mit dem „Kommando Spezialkräfte“, der Militärische Abschirmdienst, die Polizei, der Verfassungsschutz, der Bundesnachrichtendienst. Wer rechtsextremistische Kreise, die mit Waffen hantieren, namhaft macht, verdient Anerkennung. Doch Laabs argumentiert mitunter alarmistisch. Laabs will seine These nicht zuletzt mit Aussagen aus der „Szene“ belegen, nimmt diese aufschneiderisch-prahlerischen Angaben bisweilen für bare Münze, ohne den Wahrheitsgehalt hinreichend zu überprüfen. Auf mindestens 25 Seiten ist vom „Tag X“ die Rede. An diesem Tag wolle das rechtsextremistische Milieu mit den Gegnern abrechnen und die Macht übernehmen. Laabs zitiert dabei aus Chats und E-Mails. Nur: Welcher Realität wohnt solchen Phantastereien inne? Gleiches gilt für die These von den „2000 Gleichgesinnten“. Und – die Parallelen zur Weimarer Republik sind abwegig.
Wer Ursachen für rechtsextremistische Umtriebe sucht, findet sie in diesem Werk kaum. Polizisten, in ihrem Alltag oft beschimpft, machen zuweilen unliebsame Erfahrungen mit Migranten. Und wessen Herz links schlägt, meidet die Arbeit in den Sicherheitsbehörden. Dabei sorgen gerade sie für das Gewaltmonopol des Staates, eine wichtige Errungenschaft der Demokratie. Das entschuldigt rechtsextremistische Gewaltexzesse keineswegs, erklärt sie jedoch zum Teil. Dieser Sachverhalt gilt nicht nur für die Bundesrepublik Deutschland, sondern auch für andere Länder. Laabs’ Stärke ist die Recherche, weniger die Analyse.
Der Journalist präsentiert in der Tat einige skandalöse Befunde, die allerdings weniger strukturell bedingt sind. Für sich genommen beeindrucken sie zwar, aber so entsteht eine Art Flickenteppich. Wiederholt springt der Autor hin und her. So hat selbst ein mit der Materie vertrauter Leser Mühe, den Wald vor lauter Bäumen zu erkennen. Laabs prangert immer wieder das Wirken von V-Leuten in der „Szene“ an – doch diese sind wohl zur Aufklärung von Taten unvermeidlich, auch wenn man sich nicht immer auf sie verlassen kann. Oft ist von kriminellen „Netzwerken“ die Rede, ohne dies genauer zu belegen – immerhin wendet er sich gegen die These von einer „Schattenarmee“. Missstände gibt es zuhauf – eine strukturelle Reform erscheint notwendig. Hier bietet Laabs allerdings auffallend wenig Reformvorschläge. Staatliche Vertuschungsversuche werden mehr behauptet als belegt. Mitunter ist Fahrlässigkeit der Grund für staatliche Versäumnisse, nicht Vorsatz.
Der gut geschriebene Text schießt mit seinen Insinuationen übers Ziel hinaus. Vielleicht nimmt sich Laabs nach Prozessende des so spektakulären wie merkwürdigen Falles Franco A in einem neuen Buch systematisch an, ohne jeden Anflug an Verschwörungsmythen. Damit könnte er Meriten erwerben.
Prof. Dr. Eckhard Jesse, Chemnitz
Herausgeber: Dirk Laabs
Titel: Staatsfeinde in Uniform. Wie militante Rechte unsere Institutionen unterwandern
Auflage: 1. Auflage 2021
Format: 446 Seiten, 22 x 15 cm, Hardcover
Preis: 24,00 Euro
ISBN:978-3-430-21033-4
Verlag: Econ Verlag Berlin
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