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Forensische Entomologie – Insekten als Helfer der Polizei
Früher oder später kommt jeder Polizeibeamte im Rahmen seiner Diensttätigkeit in den Kontakt mit Leichen. Opfer von Verkehrsunfällen oder Verstorbene nach Tötungsdelikten gehören für einige Mitarbeiter der Kriminalpolizei zur alltäglichen Arbeit.
Von M.Sc. Marcus Schwarz und KHM Mirko Ferch, Leipzig1
1 Einleitung
Früher oder später kommt jeder Polizeibeamte im Rahmen seiner Diensttätigkeit in den Kontakt mit Leichen. Opfer von Verkehrsunfällen oder Verstorbene nach Tötungsdelikten gehören für einige Mitarbeiter der Kriminalpolizei zur alltäglichen Arbeit. Für die meisten Beamten am dauerhaft einprägsamsten sind aber zumeist bei sommerlichen Temperaturen auftretende Fäulnisleichen mit Insektenbesiedlung. Gerade in diesen fortgeschrittenen Leichenstadien, in denen auch Rechtsmediziner anhand der sonst üblichen Kriterien (Körpertemperatur, Leichenflecke und Leichenstarre) keine sinnvollen und erst recht keine genauen Angaben mehr zum Todeszeitpunkt bzw. zur Leichenliegezeit machen können, rücken die aasbesiedelnden Insekten in den Fokus des Forensischen Entomologe
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Bei sommerlich warmen Temperaturen oder entsprechend langen Zeitintervallen zwischen Versterben und Auffinden einer Person sind die Möglichkeiten einer validen Todeszeitschätzung sehr begrenzt. Hier hilft die Forensische Entomologie (abgeleitet vom griechischen Wort „éntomon“ für „das Eingeschnittene“ in Anlehnung an die frühere Bezeichnung „Kerbtier“ für Insekten) oder deutsch „gerichtliche Insektenkunde“. Anhand von Messdaten, Kenntnissen von Wachstumsverhalten und der Umgebungsbedingungen von spezialisierten Aasinsekten, welche eine Leiche in der Regel bereits kurz nach Todeseintritt besiedeln, kann die Liegezeit einer Leiche auch nach Wochen relativ genau bestimmt und so der Sterbezeitpunkt in einem Zeitfenster von wenigen Stunden, mindestens jedoch wenigen Tagen eingegrenzt werden. Zudem lassen sich an den charakteristischen Zusammensetzungen der Insektenarten und ihrer Larvenstadien Rückschlüsse auf eine etwaige Leichenverlagerung ziehen.
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Durch den Fraßprozess am Gewebe des toten Körper reichern sich die Larven der Fliegen und Käfer zudem mit chemischen Stoffen oder Verbindungen an (z.B. Medikamente oder Drogen), die sich durch eine entsprechende Substanzmittelaufnahme bis hin zur Intoxikation des Verstorbenen im Leichnam befinden. So können Drogen, Medikamente, deren Abbauprodukte und Schwermetalle in den Insekten und ihren Entwicklungsstadien nachgewiesen werden. Dies eröffnet die analytische Möglichkeit, ein neues Probenmaterial mit einer natürlichen „Speicherwirkung“ zu erschließen, gerade wenn durch Autolyseprozesse vom Leichnam selbst keine anderen, sonst üblichen Asservate mehr gewonnen werden können (z.B. Blut, Urin). Immer wieder kommt es zudem zu Fällen von massiver Vernachlässigung von Schutzbedürftigen bzw. zur Verwahrlosung von lebenden Personen, ausgehend von Sucht oder Krankheit und in Folge dessen zu einer sog. Myiasis. Dieser Fachterminus beschreibt die Besiedlung von Wunden an lebenden Patienten durch Insekten und im weiteren Sinne die Besiedlung von Verbänden und Windeln. Die Eingrenzung eines zeitlichen Rahmens einer solchen Besiedlung kann Aufschluss über eine juristisch relevante Unterlassung, beispielsweise einer Aufsichtsperson mit Garantenpflicht, geben.
2 Bestimmung der Leichenliegezeit
Ihre mit Abstand am häufigsten nachgefragte Anwendung findet die Forensische Entomologie in der Eingrenzung der Leichenliegezeit. Grundlegend spielen hier die jeweiligen Wachstumsverläufe der Insektenarten bei den unterschiedlichen Umgebungsbedingungen eine Rolle. Jede Insektenart ist in ihrem Wachstum von der Umgebungstemperatur und der Luftfeuchte abhängig. Während ihres Wachstums entwickeln sich Insekten durch mehrere Larvenstadien. Mit zunehmender Größe häuten sich die Larven dabei mehrmals und nehmen in Länge und Gewicht zu. Bei den aasbesiedelnden Fliegen gibt es nach dem Schlupf aus dem Ei insgesamt drei Larven- und ein Puppenstadium, bis eine ausgewachsene Fliege aus der Puppe schlüpft und deren Wandung als leere Puppenhülle zurückbleibt. Die zeitliche Dauer der Stadien hängt neben der Temperatur und der Luftfeuchte auch von mehreren weiteren Umgebungsparametern ab. Im Freiland spielen beispielsweise die Sonneneinstrahlung am Leichenfundort, die umgebende Vegetation und letztlich auch die Exposition der Leiche eine Rolle: im geschlossenen Wohnbereich sind z.B. eingeschaltete Lampen als dauerhafte Lichtquelle, Heizungen als Wärmelieferanten sowie geöffnete Fenster zur Ermöglichung des Leichenkontakts wichtige Faktoren, die bei der Tatortarbeit der Polizei dokumentiert werden sollten.
Auch beim Fehlen einer Leiche können Insekten weiter helfen: Obwohl nach einem Tötungsdelikt in einem Mehrfamilienhaus der Täter die Leiche entfernt hatte, zeigten die zahlreichen Fliegen in der Wohnung immer noch an, dass sich hier für sie eine Nahrungsquelle befunden haben muss, da der für die Fliegen attraktive Zersetzungsgeruch, welcher anfänglich für den Menschen nicht wahrnehmbar ist, durch das Haus drang und die Fliegen anlockte.
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