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Vermummungs- und Schutzausrüstungsverbot im Lichte der Verwaltungsakzessorietät
5.4 Fehlende Gleichheit vor dem Gesetz
Weiter erscheint es fraglich, ob sich die unterschiedlich ausgestalteten Sanktionsnormen mit der nach Art. 3 GG gebotenen „Systemgerechtigkeit“ vereinbaren lassen. Zwar soll eine Ungleichbehandlung nur dann vorliegen, wenn die Szenarien einem Verwaltungsträger zuzurechnen sind, Schieder weist allerdings berechtigt auf eine durchaus auch vorhandene gegenläufige Rechtsprechung sowie die Ausstrahlungswirkung des Art. 8 GG hin, die einen strengeren Prüfungsmaßstab erfordert.
5.5 Überschreitung der Grenzen legislativer Souveränität
Die uneinheitliche Sanktionierung von Zuwiderhandlungen könnte außerdem die Grenzen der legislativen Souveränität überschreiten, da die hohe Bedeutung des Art. 8 GG die Landesgesetzgeber bindet. Mit der Föderalismusreform I ist berechtigt darauf hingewiesen worden, dass die durch verfassungsgerichtliche Leitentscheidungen geprägte Versammlungsfreiheit eigenständigen gesetzlichen Lösungen auf Länderebene nur einen sehr begrenzten Spielraum lässt.
5.6 Einsatztaktische Auswirkungen
Die Herabstufung des Schutzausrüstungs- und Vermummungsverbots zur Ordnungswidrigkeit und die zusätzliche Bindung der Sanktionsfähigkeit an einen vorgeschalteten Administrativakt sind zweifellos mit einem Gewinn an Handlungsfreiheit für die Vollzugspolizei verbunden. Es gilt das Opportunitätsprinzip und es wird erst im Rahmen einer Verwaltungsmaßnahme über das Vorliegen einer verfolgbaren Tat entschieden. Damit kann die Polizei taktisch deutlich flexibler agieren und ist nicht an das durch § 258a StGB gesicherte Legalitätsprinzip gebunden. Eine zum Teil beklagte Erhöhung der Einschreitschwelle liegt indes nicht vor, denn die Polizei wird im Versammlungsgeschehen regelmäßig nicht zur Durchsetzung abstrakter Verbotsnormen, sondern vielmehr zur Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen tätig. Ausgesprochen problematisch ist hingegen die uneinheitliche Rechtslage für das Zusammenwirken von Polizeikräften des Bundes und der Länder bei Großlagen. Wiederholt wurde auf die besondere Relevanz abgestimmter Rechtsnormen hingewiesen. Allerdings haben diese Aussagen in den bereichsspezifischen Gesetzgebungsverfahren aufgrund unterschiedlicher politischer Zielstellungen bisher kaum Berücksichtigung gefunden.
5.7 Wirkung auf potenzielle Gewalttäter
Sorgfältig zu beobachten ist, ob die liberale Neuordnung zu einer negativen Signalwirkung auf potenzielle Straftäter führt. Zum Teil wird in der Verwaltungspraxis eine signifikante Enthemmung durch ein herabgesetztes Unrechtsbewusstsein befürchtet oder sogar bereits festgestellt. Hier ist die Prüfung im Rahmen einer umfassenden Normevaluation angezeigt, um belastbare Aussagen zu erhalten. Pauschale Behauptungen ohne empirische Datenbasis sind hingegen als nicht seriös zurückzuweisen.
5.8 Bedeutung für sonstige öffentliche Veranstaltungen
Schließlich ist auch eine uneinheitliche Regelung des Schutzausrüstungs- und Vermummungsverbots bei sonstigen öffentlichen Veranstaltungen unter freiem Himmel nicht akzeptabel. Da ein lückenfüllender Rückgriff auf das BVersG nach überzeugender Darlegung des LG Stendal ausscheidet, ist eine alternative Regelung geboten. Die versammlungsgesetzliche Lösung wurde bereits in der Vergangenheit als „systemwidrig“ abgelehnt, so dass eine Aufnahme in das StGB oder OWiG angezeigt erscheint. Daneben kommt auch eine Landesregelung nach dem Vorbild des BayLStVG in Betracht.
6 Zum Abschluss
Die Etablierung der Verwaltungsakzessorietät ist im Kontext grundlegender Entkriminalisierungsmodelle ein wichtiger Schritt zur weiteren Stärkung der hochrangigen Versammlungsfreiheit. Das BVerfG hat berechtigt herausgestellt, dass sich dadurch „Unsicherheiten und Fehleinschätzungen“ mit im Einzelfall schwerwiegenden Folgen für die Normadressaten verhindern lassen. Insofern verdienen die legislatorischen Ansätze in Schleswig-Holstein und Niedersachsen Zustimmung. Für die Handlungsfähigkeit des Staates ist allerdings gerade ein föderativ abgestimmtes Normengefüge von Bedeutung. Obwohl bisher nur sieben Länder bereichsspezifische Normen verabschiedet haben, ergibt sich bereits jetzt „eine uneinheitliche, fragmentierte und wenig übersichtliche Rechtslage.“ Der Föderalismus ist ohne Zweifel eine wichtige Errungenschaft und entspricht bedeutsamen verfassungshistorischen Überlegungen. Ein wesentliches Ziel im freiheitlich ausgerichteten Rechtsstaat muss es aber gerade sein, Nachhaltigkeit und die erforderliche Rechtssicherheit zu erreichen. Im Interesse aller Beteiligten ist daher bei der Gestaltung des wichtigen Versammlungsrechts auf föderativ abgestimmte Gesetzgebungsverfahren zu hoffen. Eine unmittelbare Orientierung an vorliegenden Musterschriften wäre dazu der richtige Weg.
Bildrechte: Thomas Gründemann (GdP).
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