Editorial
Liebe Leserinnen, lieber Leser,
der globale islamistische Terrorismus ist angesichts seiner menschenverachtenden Brutalität seit Jahren nahezu täglich in den M
edien präsent. Regionen in Asien, Afrika oder dem Nahen Osten standen zuletzt im Vordergrund. Dabei versucht offenbar der Islamische Staat (IS) mit bestialisch barbarischen Praktiken der Al Qaida die Meinungsführerschaft streitig zu machen. Vor wenigen Wochen hat sich das Phänomen zum wiederholten Mal auch in Europa gezeigt. Der brutale Angriff durch radikalisierte und offenbar an Kriegswaffen
ausgebildete Rückkehrer aus den Kampfgebieten des Nahen Ostens, richtete sich in Frankreich und Belgien gegen die Redaktion der Satire-Zeitschrift „Charlie Hebdo“ und die Polizei – also gegen wesentliche Elemente unserer freiheitlichen Demokratie. Die gezielten und koordinierten Tötungsaktionen haben nicht nur in den Zivilgesellschaften eine weltweite Betroffenheit ausgelöst. Auch wir Polizistinnen und Polizisten in Deutschland trauern mit den Angehörigen, Kollegen und Freunden der Getöteten. Das Geschehen verdeutlicht auf tragische Weise die Gefahren, denen wir alltäglich ausgesetzt sind. Gleichzeitig muss es uns motivieren, weiterhin die gesamte Expertise der Sicherheitsbehörden zu bündeln, um einen wirksamen Beitrag gegen diese Bedrohung unserer Freiheit leisten zu können. Die Kritik selbsterklärter Experten, die angesichts begründeter Forderungen nach einer angepassten personellen, materiellen und gesetzlichen „Ausstattung“ einen typischen Reflex der Sicherheitsbehörden erkannt haben wollen, darf uns nicht entmutigen.
Anknüpfend an das aktuelle Geschehen wird zwangsläufig auf allen Ebenen die Frage diskutiert, ob und wie derartige Fanaltaten verhindert werden können. Dabei reichen die Überlegungen über den Status der Sicherheitsbehörden in Bund und Ländern hinaus, richten sich auf Phänomenerkenntnisse, Prognosen und daraus abzuleitende mögliche Präventions- sowie Bekämpfungsstrategien. Vor diesem Hintergrund sollte der Beitrag der renommierten Islamwissenschaftler Dr. Marwan Abou Taam und Aladdin Sarhan aus Mainz „Salafismus als ideologisches Fundament des Islamischen Staates (IS)“ ein besonderes Interesse finden. Sie stellen fest, dass die deutsche Polizei in den letzten Jahren die meisten geplanten Anschläge vereiteln konnte. Alle an den Planungen dieser Anschläge Beteiligten waren Salafisten. In den vergangenen zehn Jahren hat sich das Phänomen Salafismus aufgrund der direkten Bedrohung der öffentlichen Sicherheit durch einen Teil des salafistischen Spektrums zu einem Beobachtungs- und Analysegegenstand entwickelt, der nicht nur für den Verfassungsschutz, sondern auch in hohem Maße für die Polizeibehörden an Relevanz gewonnen hat. Mit der Ausrufung des Islamischen Staates erreicht der internationale islamistische Terrorismus erneut einen Höhepunkt, so die Autoren. Dabei spiegelt die mediale Inszenierung der Gewalt auf brutalster Weise die neue sicherheitspolitische Komplexität wider. Dem Salafismus inhärent ist das Gebot zur Abschottung und Abwertung von anders denkenden Muslimen und Nichtmuslimen (al-walâ‘ wa-l-barâ‘). Gepaart mit der von salafistischen Predigern eingeforderten Unterwerfung unter den vermeintlichen Willen Gottes, schafft dieses Gebot den Nährboden für die Mobilisierung von Szenemitgliedern und Sympathisanten für den Jihad im In- und Ausland.
Im Ergebnis wird festgestellt, dass zur erfolgreichen Umsetzung von Deradikalisierungsmaßnahmen die Vernetzung von Teilkompetenzen (Polizei, Jugendämter, Migrationsbeauftragte, Integrationsministerium usw.) eine wichtige Voraussetzung darstellt. Dies gilt ebenfalls für die Einbindung muslimischer Partner. Die einzelnen Akteure können somit ihre jeweiligen Erfahrungen in islamisch geprägte Milieus einbringen und Synergien entwickeln, die in Zeiten knapper finanzieller Mittel von besonderer Bedeutung sind. Die beste Form der Deradikalisierung ist die (Rück-) Gewinnung von jungen Menschen für Demokratie. Toleranz, Respekt gegenüber Andersdenkenden und ziviler Umgang mit Konflikten sind Kernkompetenzen der modernen Gesellschaft.
Herbert Klein
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