Editorial September 2012
Liebe Leserin,
lieber Leser,
heimtückische und menschenverachtende Morde, Banküberfälle und Sprengstoffanschläge, die Angehörigen der rechtsmotivierten Organisation „Nationalsozialistischer Untergrund (NSU)“ zugeordnet werden müssen, haben angesichts der offenkundigen Motivlage die Diskussion um die so genannte Hasskriminalität erneut entfacht.
Herbert Klein
Ltd. Kriminaldirektor, Polizeipräsidium Rheinpfalz, Chefredakteur
Als „Hasskriminalität“ werden Taten bezeichnet, bei denen das Opfer vom Täter nach dem Kriterium der Zugehörigkeit zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe gewählt wird und sich die Straftat dadurch gegen die gewählte Gruppe richtet. So können beispielsweise antisemitisch oder ausländerfeindlich motivierte Straftaten unter den Begriff fallen, ebenso wie gegen Mitglieder anderer gesellschaftlicher Gruppen, beispielsweise obdachlose oder beeinträchtigte Menschen. Diplom Sozialwirtin Dorothee Dienstbühl und Dr. Marwan Abou-Taam, setzen sich in dem Beitrag „Hasskriminalität: Eine Herausforderung an die moderne Gesellschaft“ mit der Problematik auseinander. Der Hass wird lediglich durch die Vorurteile eines meist noch jungen Täters determiniert und endet in seiner andauernden Form nicht mit dem Tod des Gegners, was man an der Zerstörung von jüdischen Grabmälern ersehen kann, stellen die Autoren einleitend fest. Der Fremde und all seine Symbole stellen immer und überall eine existenzielle Gefahr dar, die kontinuierlich bekämpft werden muss. Die Hassideologie wird dabei von Massen gelebt und durch Protagonisten verbreitet. Dadurch ergeben sich Kriminalitätsfelder, die nicht auf eine Gesinnung beschränkbar sind und ein immenses Gefahrenpotential für die Innere Sicherheit in Deutschland und Europa darstellen. Hass ist eine der intensivsten Emotionen, zu denen ein Mensch fähig ist, weshalb auch der Frage nachgegangen wird, ob es sich um eine Angstreaktion handelt? Unter anderem über eine Betrachtung der Entwicklung von Hasskriminalität, der sozialen Ausgangslage, werden Möglichkeiten zur polizeilichen Intervention und strafrechtlichen Ahndung aufgezeigt. Der Ausblick mündet in die Feststellung, dass Hasskriminalität ein Thema bleiben wird, mit dem sich Deutschland in allen Teilen der Gesellschaft auseinandersetzen muss. Das Phänomen hassmotivierter Delikte ist dagegen sehr wohl bekannt, wird jedoch mit einem starken Schwerpunkt bei rechtsextremistisch und fremdenfeindlich motivierten Gewalttaten öffentlich wahrgenommen.
Dies verkennt nach Auffassung der Autoren den erheblichen Forschungsbedarf. Diese grundlegende Forderung sollte spätestens angesichts des geradezu desaströsen Befundes bei der Bekämpfung rechtsmotivierter Gewaltdelikte rasch in das politische Bewusstsein rücken und entsprechende Reaktionen auslösen.
Medien sind in den unterschiedlichsten Ausprägungen allgegenwärtig und haben uns in den vergangenen Jahrzehnten dazu geführt, dass wir zumindest in der westliche Welt von einer Mediengesellschaft sprechen. Nahezu täglich bekommen wir den unbestreitbaren Segen, aber auch den Fluch dieser Entwicklung vor Augen geführt. In den Beiträgen von Kriminaldirektor Klaus Mohr und Kriminalhauptkommissar Roland Mittermüller, Polizeipräsidium Mainz, zum Thema „Drei tote Säuglinge in der Universitätsmedizin Mainz – Eine Frage der Hygiene?„ und des Ersten Kriminalhauptkommissars a. D Manfred Paulus, Ulm/Donau, „Vergewaltigt oder vorgetäuscht? Über Kachelmann, Strauss-Kahn und die Misstrauensproblematik bei Vergewaltigungsdelikten“ nehmen die Medien zwar nicht die zentrale, aber zumindest eine sehr maßgebliche Rolle ein. Sie beeinflussen nicht nur in hohem Maß die polizeilichen Ermittlungen, sondern auch Opfer und Justiz. Der damalige medizinische Vorstand und Vorstandsvorsitzende der Universitätsmedizin Mainz, Univ.-Prof. Dr. Norbert Pfeiffer, äußerte sich cirka einen Monat nach den Ereignissen in einem Interview: „Ich habe mich manchmal gefragt, ob ich zu weit gehe. Aber Sie machen nichts falsch, wenn Sie bei der Wahrheit bleiben (….) Bei der Wahrheit kommen Sie immer wieder auf dieselben Dinge (….) Ich habe klar abgegrenzt: Was weiß ich, und wo beginnt die Spekulation. Da habe ich allerdings gemerkt – und das hat mich schon erschreckt – dass das nicht immer genau so wiedergegeben wurde.“
Herbert Klein
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